CO2-neutrale Energieversorgung für Industriestandorte am Beispiel eines Chemieparks
Hintergrund
Zahlreiche Produktionsverfahren der chemischen Industrie sind wärmeintensive Prozesse, die kontinuierlich mit hoher Leistung und mit hoher Versorgungssicherheit Prozesswärme in Form von Prozessdampf mit Temperaturen bis zu 500 °C benötigen. Der Bedarf an Prozessdampf wird in der chemischen Industrie absehbar als konstant erwartet, vorbehaltlich disruptiver Prozessinnovationen. Über eine klimaneutrale Stromversorgung hinaus ist damit eine CO2 neutrale Wärmeversorgung von herausragender Bedeutung für Produktionsstandorte der chemischen Industrie.
Die dafür erforderlichen Technologien basieren zum Teil auf Entwicklungen, wie sie ebenfalls für CO2-freie Spitzenlast- oder Backup-Kraftwerke benötigt werden. Für die Erfordernisse von chemischen Industriestandorten müssen sie aber bezüglich Integration und technischer Ausführung signifikant angepasst werden, damit Prozessdampf prioritär bereitgestellt und eine standortbezogenen Versorgungssicherheit garantiert werden kann.
Heute erfolgt die Prozessdampfversorgung über Dampfnetze auf unterschiedlichen Druckstufen, die aus Anlagen zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme und mit Abhitze aus Produktionsbetrieben oder Entsorgungsanlagen gespeist werden. Als Brennstoffe werden Erdgas und in immer geringer werdendem Ausmaß Kohle eingesetzt. Die KWK-Anlagen werden überwiegend wärmegeführt betrieben, d. h. der Strombedarf wird ergänzend zur KWK-Erzeugung aus dem übergeordneten Netz gedeckt. Der Anlagenbetrieb erfolgt unter Gewährleistung einer abgesicherten Wärmeversorgung und Nutzung der KWK-Anlagenflexibilität der Stromerzeugung zur Integration von fluktuierendem Stromdargebot oder zur Stabilisierung des Stromsystems.
Eine nachhaltige CO2 freie Wärmeversorgung im industriellen Maßstab lässt sich prinzipiell durch Nutzung folgender Alternativen erreichen:
- Prozesswärmeerzeugung aus fluktuierendem erneuerbarem Strom (PV-, Windstrom), wobei die Wärmeerzeugung elektrothermisch oder unter Nutzung von Umweltwärme und (bisher ungenutzter) Niedertemperaturabwärme (in der Regel < 100°C) durch Wärmetransformation erfolgen kann.
- Energetische Nutzung chemisch gespeicherter erneuerbarer Energien (z.B. Biomasse, Biomethan, grüner Wasserstoff oder grünes Methan erzeugt mit PV- und Windstrom).
- Energetische Nutzung kohlenstoffbasierter Brenn- oder Reststoffe und Kohlenstoffabscheidung (in Form von C oder CO2 vor oder nach der Verbrennung) und Speicherung oder Nutzung des Kohlenstoffs oder Kohlenstoffdioxids.
Projekt
Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines CO2-neutralen sektorübergreifenden Energiesystems für wärmeintensive Industriestandorte mit einem Wärmebedarf vorwiegend in Form von Prozessdampf mit Temperaturen von bis zu 500°C. Das Energiesystem soll unter Berücksichtigung von Szenarien der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und der Verfügbarkeit der entsprechenden Energietransportinfrastruktur eine wettbewerbsfähige und versorgungssichere Wärme-, Kälte- und Stromversorgung von Standorten in NRW ermöglichen. Da die Auswirkungen der im Zusammenhang mit der Vermeidung atmosphärischer CO2-Emissionen ebenfalls zu erwartenden Rohstoffwende auf das Prozessportfolio noch nicht absehbar sind, müssen neu aufgebaute Strukturen im Bereich der Wärmeversorgung ein möglichst hohes Maß an Flexibilität mit sich bringen.